Dynamikumfang für Musik im klassischen/ romantischen Stil

Sehr geehrtes Team,

Dorico nutze ich noch nicht sehr lange, habe aber gleich eine begonnene Partitur für sinf. Blasorchester mit 9:40 min. Spielzeit “mitgebracht” und arbeite weiter an deren Orchestrierung.
Für eine spätere Demo-Ausspielung ist ein realistischer Klangeindruck sehr nützlich. Deshalb habe ich zusätzlich Note Performer als Wiedergabe-Tool aktiviert.

Im Projekt gibt es Stellen mit wenigen Instrumenten, die im pp stehen, aber auch (fast) volle Besetzung im ff.
Ich muss nun feststellen, dass mich zwar die Instrumentenklänge weitgehend zufriedenstellen, die Dynamik-Unterschiede bei der Wiedergabe und im Export dagegen eher nicht.
Übertriebene Komprimierung (bis zu weitgehend gleichem Erscheinen von laut und leise) scheint ein Phänomen zu sein, das in den letzten Jahren (oder sind es schon Jahrzehnte?), aus den Hörgewohnheiten der “Gebrauchsmusik” (Laden- und Auto-Gedudel) kommend, sich leider auch in der Musik von Barock bis Klassischer Moderne festgesetzt hat.
Diesbezüglich geradezu unerträgliche Fernsehaufzeichngungen v.a. von romantischen Orchester- werken könnte ich benennen.
Dorico in der Standard-Einstellung liefert zumindest in leisen Passagen eine deutliche Anhebung: ppp ist einfach zu laut, fff fehlt deshalb dann scheinbar “der Bums”. Das mag für Musikhören in der Mietwohnung oder auch bequemes Arbeiten bei mäßiger Lautstärke vor dem Computer noch angemessen sein, für eine wirklich realistische Orchesterdarstellung sorgt es aber nicht.

Nach diesem ersten, noch subjektiven Eindruck wollte ich auch objektiv “nachgraben”. Deshalb habe ich mit der Vorlage “Holzbläserquartett”
eine Dynamik-Abstufung ppp ->(alle Zwischenstufen)-> fff, ppp, fff auf einem einfachen Akkord erstellt und alles mögliche ausgetestet.
{mehr als ein Bild leider nicht ladbar}

Mit Note Performer in der Standard-Einstellung (Dynamik-Kurve bei 2,5) werden in Dynamik-, Anschlags- und Automationsspur Abstufungen sichtbar. Auffällig ist die ungleiche Stufung: immer wechseln sich eine kleine und eine größere Stufe miteinander ab, am extremsten
zwischen mp, mf und f.
{mehr als ein Bild leider nicht ladbar}

Dies gilt für alle Instrumente gleichermaßen und nimmt offenbar bei Dorico selbst seinen Ausgang.
Nach dem Umschalten auf die Standard-Wiedergabevorlage HalionSO verschwinden nämlich zwar die Stufungen in Anschlag und Automation, diejenigen in der Dynamikspur bleiben aber unverändert. Auch das Dynamik-Verhalten ist in beiden Wiedergabeprogrammen nahezu identisch: anscheinend enthält bei beiden VSTs der Standard eine beträchtliche Lautstärke-Anhebung im unteren Bereich (.wav- Ausspielung 1 [HalSO] und 2 [NP.] in der Kurvendarstellung)

Viel nützlicher wäre es v.a. für klassische/ romantische Musik, statt der generellen Dynamik-Kurve für alle Dynamikstufen Vorgaben zum Wiedergabe-Wert machen zu können - mit einer größeren Spreizung als bisher vorhanden. Auch mit starkem Verstellen der Dynamikkurve konnte ich die jedenfalls nicht erreichen.

Als nächstes habe ich Anschlagstärken und Automationsspur (Midi-CC) darauf getestet, inwiefern sie sich sich im gewünschten Sinne einsetzen lassen.
Will man ein wirklich leises ppp (resp. pppp), muss man mit Note Performer die Automationsmarke manuell auf 0 oder 1 zurücknehmen und auch mit der Anschlagsstärke
weit heruntergehen.
Mit HalionSO ist der Effekt viel ausgeprägter: ppp mit Automationswert 14 und reduziertem Anschlag ist bereits ungeeignet nahe an der Unhörbarkeit.
Die Dynamikstufen bauen aber schön bis zum fff auf (Ausspielung 3 in der Kurvendarstellung).
So sollte es eigentlich sein, leider ist aber eine manuelle Einstellung jedes Tons im realen Projekt wirklich keine zeitlich gangbare Option.

Wie aber automatisiert eine Dynamik-Spreizung hinbekommen?
Entweder fehlen, um die Anhebung der kleinen Lautstärken standardmäßig zu verringern, Einstellmöglichkeiten oder ich habe deren Vielzahl bzw. das komplexe Konzept der Tonerzeugung einfach noch nicht vollständig durchdrungen - dann bitte ich um Hilfe.

In Note Performer gibt es gar keine entsprechenden Einstellmöglichkeiten: Master-Lautstärke und Hall, Instrumentenlautstärke und Sitzposition - Ende.
Soll man versuchen, das dortige Entwicklerteam zu einer stärkeren Spreizung der Dynamik zu “animieren”?!

Was immer zu diesem Thema zu erfahren wäre, nehme ich gerne entgegen.

tönende Grüße
Arais

Hallo @taxus,
schau mal unter Wiedergabeoptionen → Dynamik → Dynamikkurve.
Dorcio ist standardmäßig so eingestellt, dass es im mittleren Dynamikbereich einen größeren Unterschied gibt. Wenn du den Wert auf 1.0 änderst, bekommst du einen linearen Dynamikverlauf durch alle Stufen.

Ich wage zu bezweifeln das dies direkt mit Dorico zu tun hat…
Das liegt bestimmt am verwendeten Instrument, das ist bestimmt nicht so vielfältig gesampelt worden das alle Dynamikabstufungen genauestens abgebildet werden.
Dafür kann man dann eine aufwändiger gestaltete Bibliothek benutzen.
Iconica Opus, VSL oder Spitfire…zum Beispiel.

Ja, habe ich bereits durchprobiert, der lineare Bereich beginnt aber dann bereits mit pppp und geht hoch bis ffff.
Was verschärfend hinzukommt: pppp beginnt dann auch nicht “ganz unten”.
Das heißt für mich bei bevorzugtem Einsatz von pp bis ff (maximal ppp bis fff), dass die verwendeten Stufen eher noch weiter zusammenrücken.
Bei hohen Werten weitet sich die Mitte auf, allerdings vermögen auch noch so hohe Werte die extrem lauten und leisen Stufen nicht bis ganz an den Rand zu drängen.
Ich verstehe nicht ganz, wieso ein derart ausgefeiltes Programm keine individuellen Kurven zulässt. Ein paar Schieberegler á la Equilizer und die gewünschte Kurve wäre fertig.

Kann eine Soundbibliothek eigentlich auf etwas regieren, was das Satzprogramm nicht liefert?
Andererseits: mit “Nachstellen” bei Automation und “Anschlag” klappts ja! Die beiden Unterspuren beeinflussen aber, wenn ich das richtig verstanden habe, die Sounds “im Nachhinein” bereits auf der Midi-Schiene.
Da müsste man vermutlich erfahrene Soundproduzenten befragen.
Einzelnes “Nachstellen” ist aber vom Zeitaufwand her sowieso unmöglich.

Tut sie doch nicht…
Dorico liefert eine Spielanweisung und diese kann noch etwas verändert werden…
Wenn aber in der Bibliothek nur 10 Samples pro Note verwendet werden lassen sich die 128 möglichen Werte des MIDI Standards nicht alle mit eigenen Samples wiedergeben…
Spieldynamik ist eben nicht nur Lautstärke, der Klang ändert sich ja dramatisch mit der Dynamik.

Dorico ist doch eigentlich ein Notensatzprogramm und das hörbar machen der Instrumente ist nur eine Hilfe.

Der Unterschied zu einer Vienna Symphonic Library ist mir schon klar , v.a. kostenseitig.
Es wäre interessant zu erfahren, wie so ein Profisystem mit dem umgeht, was aus einem Satzprogramm kommt.
Für einen ohnehin nur näherungsweise natürlichen Klang wäre mir aber ein nochmal heruntergepegelter leiser Ton (wie ja offenbar durch Automation und Anschlag möglich) allemal lieber als ein zu lauter. Wenn ich ppp schreibe, will ich auch ein “äußerst leise” hörbar machen können, muss ja nicht von vorneherein so eingestellt sein.
Das könnte dann jeder für sich entscheiden, nur sollte die Möglichkeit, mit den Dynamikstufen manuell “rumzuspielen”, statt Töne einzeln anfassen zu müssen, überhaupt erst mal bestehen, wünsche ich mir.